Samstag, 14. Oktober 2017

Ich bin eine 7

Irgendwie ist das hier alles ziemlich Fake, denke ich, als ich mir das kurze, schwarze Glitzertop überstreife, das am Bauch immer so scheuert. Dabei habe ich mich eben noch so wohl gefühlt in meinem durchlöcherten oversize Shirt und der verwaschenen Jogginghose. Die High-heels sind mir ein bisschen zu klein, passen aber zum Outfit. Augen zu und durch. Make up? Habe ich noch nie gemocht. Das fühlt sich irgendwie falsch an. Unecht. Trotzdem trage ich jetzt eine dicke Schicht davon auf - Ich bin diese roten Stellen im Gesicht einfach leid. Ich ziehe meinen Liedstrich nach und ertappe mich dabei, wie ich zum fünften Mal zum Haarspray greife. Draußen regnet es und das Letzte das ich gebrauchen kann ist eine ruinierte Frisur. Ein letzter, prüfender Blick in den Spiegel. Ich bin...zufrieden. Auf einer Skala von 1 - 10 vielleicht eine 7. Das ist okay. Das ist Solide. Ein Foto für Instagram und eins für Snapchat. Wieder der gleiche Filter wie beim Letzen Mal. Der lässt das Gesicht immer so schön schmal aussehen.


Im free to be the greatest, Im alive. singt Sia, als ich später zu meinen Freunden ins Auto steige aber Ich höre nur mit halben Ohr hin. Der Regen prasselt jetzt in dicken Tropfen gegen die Autoscheibe. ,,Hat zufällig jemand einen Schirm dabei?“

Draußen, vor dem Club weiß ich, dass ich mich für das richtige Outfit entschieden habe, als ich sehe, dass ich perfekt in die Schlange passe. Ich falle nicht auf, bin erleichtert. Heute bin ich eine 7. Das scheint ein guter Schnitt zu sein, denn wir gleichen einander.
Und dann? Schüttelt der Türsteher energisch den Kopf. Sorry! Ihr nicht. - Mein Freund Trägt die falschen Schuhe. Also weitersuchen!

Auf dem Weg zur nächsten Party, verpasse ich den Witz, den T.  erzählt und die Restaurantempfehlung von K. Ich bin auf den Schirm fixiert, den ich so fest umklammere, als fürchte ich, jemand könnte ihn mir gleich aus der Hand reißen. Ich habe es eilig, traue mich nicht nach oben zu gucken. Der Wind peitscht uns entgegen und ich möchte nicht das meine Schminke verwischt. Nicht bevor wir im Club sind.

Der Abend beginnt für mich erst, als wir an der Garderobe endlich unsere Jacken abgeben. Auf dem Weg zur Bar, kann ich – trotz des dämmrigen Lichts - der Versuchung nicht wiederstehen, einen Blick in den Spiegel zu werfen. Sofort bereue ich es. Bin enttäuscht. Vielleicht sogar ein bisschen verärgert. Warum haben wir uns ausgerechnet diesen Tag ausgesucht? Meine Haare sind vom Wind ganz verknotet und unter meinen Augen zeichnen sich von der Wimperntusche ein paar dünne schwarze Linien ab. Ich sehe mich um.
Heute bin ich eine 7 und ich frage mich, wie die 10, die sich neben mir neuen Lippenstift auf die perfekt geschwungenen Lippen aufträgt, es wohl schafft eine 10 zu sein.

Irgendwann sind wir alle ein bisschen beschwipst.  Während ich die Arme in die Luft werfe und mich zum Rhythmus bewege, beginnt mein Blick zwischen all den Leuten umher zu wandern. Ich sehe an mir herunter. Zu meinen Freunden. Zu dem Mädchen neben uns. Zu dem Typen an der Bar...
Vergleiche. Analysiere. Was sie wohl von mir denken? Ich gerate aus dem Takt. Immer wieder. Bin konzentriert. Bloß keine falsche Bewegung. Das kann ja nicht so schwer sein.

Zwei Typen stehen in der Mitte der Tanzfläche. Beide sehen gleich aus. Beide sehen aus wie jeder Andere. Weiße Schuhe. Dunkle Jeans. Tshirt. V-Ausschnitt. Sie sehen das Mädchen neben mir. Meine Freunde. Mich. Sie Begutachten. Bewerten. Schütteln nacheinander prüfend den Kopf. Als hätte ich den Test  nicht bestanden. Als wäre ich durchgefallen.
Heute bin ich eine 7. Sie wollen eine 10.


Ich ärgere mich. Nicht über sie. Nicht darüber das ich eine 7 bin. Vielmehr über mich. Über die verschwendete Zeit. Über die verschwendeten Gedanken. Heute Abend war da zu wenig von mir. Zu wenig Ich.
Auf dem Weg zum Auto, binde ich meine Haare zu einem Zopf zusammen, denn: So stören sie mich nicht. Mir ist es egal wie ich aussehe. Wir fahren eh nach Hause. Ich ziehe meine High Hehls aus. Kann meine Zehen wieder spüren. Gehe Barfuß, nehme jede Pfütze mit, an der wir vorbei kommen.
Zu Hause fühlt es sich an, als würde ich mir eine Maske vom Gesicht nehmen, als unter der Dusche die letzten Reste des Make-ups im Abfluss verschwinden. Ich greife nach meinem oversitze Shirt und der verwaschenen Jogginghose. Der Stoff fühlt sich vertraut an meiner Haut an. Irgendwie echt. Wie ich.

Heute war ich eine 7. Vielleicht bin ich morgen eine 8. Nächste Woche bin ich vielleicht nur eine 5 und irgendwann? Irgendwann werde Ich vielleicht Mal eine 10 sein. Aber das hat absolut nichts mit mir zu tun. Ein letzter Blick in den Spiegel. Zufrieden. Das sieht vertraut aus. Das bin ich. Ohne Wertungssystem, ohne Skala. Einfach ich... Und das ist gut so.



*Foto von Unsplash






Sonntag, 20. August 2017

#1 Diese Sache mit dem Optimismus

Ich hasse Sommerregen. Nein, wirklich. Ich hasse diese schwere Luft, die dabei entsteht und sich jedes Mal wie ein undurchdringlicher Schleier auf die ganze Welt zu legen scheint. Damals, beim Spielen, wenn die anderen Kinder sich auf die Suche nach dem Ende des Regenbogens machten oder sich ihre Jacken auszogen, die Arme ausstreckten und barfuß auf der nassen Wiese Pirouetten tanzten, kauerte ich mich unter das Vordach der Veranda  und wünschte mir nichts sehnlicher, als das der Regen ein Ende hat.

Ich?-Bin ein ziemlicher Hypochonder. Besonders in den Momenten, in denen ich dieses undefinierbare Stechen im Bauch spüre, oder in der Brust...oder an den Schläfen. Ich bin Perfektionist. Detailverliebt - zumindest immer dann, wenn es darum geht, Gedanken bis ins kleinste Detail zu zerdenken und sich in Dinge hineinzusteigern, die entweder schon weit in der Vergangenheit liegen oder vielleicht niemals existieren werden. Ich sehe das Glas prinzipiell lieber halb leer, als halb voll, einfach um mich vor eventuellen Enttäuschungen zu bewahren.
Mein Leichtsinn?- Der ist tot und begraben. Genauso wie mein innerer Optimismus.

Dachte ich zumindest!

,,Es gibt zwei Arten, mit Enttäuschungen umzugehen", sagt C.  immer. ,,Entweder ich lache darüber oder ich weine darüber...und wenn ich mir aussuchen kann, ob ich lieber lachen oder weinen will, dann werde ich mich garantiert immer fürs Lachen entscheiden."
C. ist im Übrigen die ausgeglichenste und optimistischste Person die ich kenne. 
Ich sehe sie einen Moment lang stirnrunzelnd an. ,,Und was, wenn ich keine Wahl habe und automatisch weinen muss?", hake ich nach. 
Sie lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und antwortet ohne lange zu überlegen. ,,Glaub mir, du hast immer eine Wahl." 
Und somit Stand sie im Raum- Die Frage nach meinem Optimismus und die Tatsache, dass einzig und allein Ich selbst für meine Grundstimmung verantwortlich bin.
Laut C. ist alles was ich zu tun habe, mir gut zuzureden und dem Optimismus eine Chance zu geben. Oder dem Universum. Oder was es auch immer sein mag, das dafür sorgt, das unser Leben in geregelten Bahnen verläuft. 

Zugegeben: Ich war skeptisch. Bin ich immer noch. Aber dennoch: Ich habe tatsächlich angefangen, mir einzureden das ,,alles gut ist" und zwar in den Momenten, in denen definitiv nicht alles gut war. Bei Regen zum Beispiel, oder als das undefinierbare Stechen im Bauch zurück kam oder als Ich auf dem Weg zum Termin in einen Stau geraten bin. Am Anfang hat sich das alles ziemlich lächerlich angefühlt und ich konnte mich von dem Gedanken nicht losmachen, dass ich mir selbst etwas vormache. Aber ich habe weitergemacht. Es war ja schließlich ein Versuch. Eine Challenge. 
Alles ist gut. Ich werde nicht zu spät kommen. Ich werde einen Parkplatz finden. und dieses Projekt in der Arbeit-damit werde ich erst recht fertig.
Mein Herz schlug weiter. Viel zu laut. Viel zu wenig im Takt. So, dass ich mir nicht einmal die Hand auf die Brust legen musste um zu begreifen, dass es zu schnell dagegen hämmerte. 
Ich bin ungeduldig. War ich schon immer.
Aber: Alles ist gut.


Das wurde irgendwann zu einer Art Mantra und dann zu einer Art Rückhalt. Einer Versicherung, der ich plötzlich glauben schenkte. Ganz unbewusst. Trotz des Widerstandes, den ich Anfangs dagegen aufgebracht hatte.



und dann? Passierte etwas wirklich überraschendes. Denn von Tag zu Tag war da mehr Energie. 
Mehr Geduld und vor allem mehr Selbstvertrauen. Am Ende der Woche? War ich so glücklich wie seit langen nicht mehr und zum ersten Mal habe ich diese Sache mit dem Optimismus verstanden.
 Es kommt nicht auf die Situation an, sondern darauf, was man daraus macht. 

 Heute? Heute Klappe ich den Regenschirm  zu und setze einen ersten Fuß auf die nasse Wiese. Zaghaft. Ein wenig unsicher. Es ist ein Versuch. Ein Experiment. Aber irgendwann werde ich tanzen. Ganz sicher. Das hier ist ein Anfang. Ich lächle- ein echtes Lächeln. ,,Alles wird gut" flüstere ich
und zum ersten Mal fühlt sich das richtig an.  








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